ÜBERBLICK
PHYSIOLOGIE Augenoberfläche
PATHOPHYSIOLOGIE beim Trockenen Auge
Typische SYMPTOME
Wichtige BEFUNDE
Wegweisende DIAGNOSTSCHE TESTS
SCHWEREGRAD Einteilung
THERAPIE Stufen-Schema
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PHYSIOLOGIE
der Augenoberfläche
Die Augenoberfläche ist ein dauerhaft FEUCHTES GEWEBE
Die AUGENOBERFLÄCHE ist die dauerhaft feuchte Mukosa an der Vorderseite des Bulbus.
Die Tränendrüsen und die ableitenden Tränenwege bilden die Schleimhautadnexe und gehören zur Augenoberfläche.
Die unverzichtbare Befeuchtung, und damit die Augengesundheit, wird aufrecht erhalten durch wenige Grundlegende Funktionskomplexe.
Normale Funktions-Komplexe
2 wesentliche Funktions-Komplexe stellen die Befeuchtung der Augenoberfläche sicher als Grundvoraussetzung für ihre Gesundheit:
Tränen-Produktion
Tränen-Ausbreitung zum Tränen-FILM
Die Augen-Lider breiten die Tränen in der Lidspalte zum äusserst wichtigen dünnen Tränen-FILM aus
Nur der Tränen-Film sichert die Feuchtigkeit auf dem Auge auch bei geöffneten Lidern - und verbessert gleichzeitig die Lichtbrechung für eine optimale Sehschärfe.
Diese Betrachtung ergibt ein Neues Bild der Augenoberfläche.
Ein Neues Bild der Augenoberfläche
Die Betrachtung der Augenoberfläche über Ihre Funktionskomplexe, die zur intakten Funktion und damit auch zur Erhaltung der strukturellen Integrität wichtig sind, ergibt ein Neues Bild der Augenoberfläche.
Durch die schematische Darstellung der Funktionskomplexe in ihrer Interaktion als Piktogramme ist intuitiv verständlich.
Dieses neue Bild führt zu einem holistischen und dynamischen Konzept der Augenoberfläche und von dort zu einem Holistischen Dynamischen Konzept des Trockenen Auges.
Die Intakte Zelloberfläche mit ihren Becherzell Drüsen ist wichtig für die Benetzbarkeit der Augenoberfläche:
die Becherzell-Drüsen (pink in der Abbildung) in der Bindehaut produzieren lösliche Muzine zur Bildung eines Muzin-Wasser-Gels im Tränenfilm
die intakte Zelloberfläche ist eine unverzichtbare Voraussetzung für die Augengesundheit.
Die zahlreichen Mikro-Fortsätze (Mikrovilli und Mikroplicae) und die integralen Muzine der Glykokalyx in der Zellmembran erlauben die Anhaftung der wässrigen Tränen
= diese Strukturen sind erst im Elektronenmikroskop erkennbar.
PATHO-PHYSIOLOGIE des Trockenen Auges - komplex aber nicht kompliziert !
Verschiedene Faktoren sind bei der Pathophysiologie des Trockenen Auges beteiligt und werden im Folgenden einzeln erklärt. Abschliessend finden Sie eine Zusammenfassung.
Auslösende KAUSALE FAKTOREN
Auslösende kausale Faktoren für das Trockene Auge sind Störungen, die dazu führen, dass kein ausreichender Tränenfilm gebildet wird. Dies sind vor allem:
Mangel/ Störung der Tränen-Produktion
quantitativ oder qualitativ
durch die verschiedenen Drüsen des Auges
von denen die Störung der Meibomdrüsen nach aktuellem Erkenntnisstand, die Hauptursache eines Trockenen Auges ist.
einschliesslich der intakten Zelloberfläche mit Becherzell Drüsen und Muzin-Bildung.
Mangel/ Störung der Tränen-Film Ausbreitung
durch jede Störung, der Augenlider selbst oder des normalen Lidschlages, die zu Störungen des Tränenfilms führen oder dazu beitragen, z.B. durch:
Störungen der neuralen Regulation
Form und Stellung der Lider
typischerweise gestört bei normalen Alterungsvorgängen, wenn die Lidspannung erschlafft oder die Lider narbig verzogen sind.
Primäre PATHOLOGIE
Die beiden Primären Pathologien des Trockenen Auges sind
Tränenfilm-Mangel/Störung und
Gewebe-Schaden
Beide Pathologien werden als “primär” bezeichnet, da sie jeweils als erste auftreten können und dann die andere induzieren.
Typische Folge der Tränenfilmstörung ist eine Beschädigung der empfindlichen Zelloberfläche.
kleinere Schäden der Oberfläche sind klinisch erkennbar als vital anfärbbare oberflächliche Stippung (Keratitis superficialis punctata, KSP), meist in Fluorescein-Färbung
Später kann es zu umfangreicheren Schäden mit einem degenerativen Umbau des Gewebes kommen
Selten kann das Gewebe der Augenoberfläche auch zuerst geschädigt sein, und dies dann später zu Störungen der Tränen Haftung und damit Befeuchtung führen.
Sekundäre Pathogenetische Faktoren
… sind die Folgen von Tränenfilm-Mangel und Gewebe-Schädigung
Bei beiden Primären Pathologien des Trockenen Auges (Tränenfilm-Mangel und Gewebe-Schaden) entwickeln sich in der Folge jeweils Sekundäre pathogenetische Faktoren:
sie sind untereinander vernetzt und
treiben den Krankheitsprozess voran in Kaskaden .
die sekundären Faktoren lassen sich als klinische Befunde erheben.
anhand des Schweregrades der entsprechenden Befunde kann eine Stadieneinteilung des Trockenen Auges vorgenommen werden.
TRÄNENFILM-MANGEL
Es ist beim Tränenfilm-Mangel nicht immer ganz einfach, die Sekundären Pathogenetischen Faktoren exakt dem Defizit einer bestimmten Tränen-Komponente zuzuordnen, also einem Mangel an
oder Störungen des Lidschlages
Nach aktuellem Verständnis lässt sich, neben einer generell möglichen Visusverschlechterung, die folgende Zuordnung der Symptome vornehmen:
Wässriger Tränen-Mangel … führt zu
Benetzungsstörungen mit der Entwicklung von Lücken/ Trockenen Stellen (´Dry Spots´) im Tränenfilm
Erhöhte mechanische Reibung.
durch verminderte Schmierung/ Lubrikation zwischen Augenlidern und Bulbus
wird durch Kontaktlinsentragen noch verstärkt, vor allem bei bestehendem wässrigen Tränenmangel.
Chronisch mechanische Irritation
führt zu einem Gewebeumbau und ist ein Entzündungsreiz
Lipid/ Öl-Mangel … führt zu
Tränenfilm-Instabilität mit kurzer Tränenfilm-Aufbruchszeit (TAZ/ BUT) mit nachfolgend
schnellerer Verdunstung des Tränenwassers (Hyperevaporation) mit nachfolgend
sogenanntes “Evaporatives Trockenes Auge“
erhöhte Osmolarität/ Hyperosmolarität) des verbleibenden Tränenfilms
bei der Verdunstung des Tränenwassers bleiben die gelösten Stoffe (Proteine, Salze) zurück und ihre Konzentration in den verbleibenden Tränen erhöht sich dadurch (siehe animierte Abbildung).
dies ist ebenfalls ein Entzündungsreiz.
bei Fortschreiten der Störung vermischen sich meist die einzelnen Typen des Tränenfilm-Mangels
Lidschlag Störung => Störung der Tränen-Film Ausbreitung … führt zu
Tränenflüssigkeit allein ist nicht ausreichend für einen Tränenfilm denn erst der normale und ausreichend häufige Lidschlag erzeugt aus der Tränenflüssigkeit den notwendigen Film.
Eine Störung der Augenlider selbst oder des normalen Lidschlages erzeugt daher eine Störung des Tränenfilms oder kann dazu beitragen.
Folgen sind
Störung der Ausbreitung eines Tränenfilms
erhöhte Reibung der Lider auf dem Bulbus
chronisch mechanische Irritation
dies ist ein Entzündungsreiz
Muzin-Mangel … führt zu
Benetzungsstörungen
Instabiler Tränenfilm, kurze Tränenfilmaufbruchszeit (TAZ/ BUT), möglicherweise auch verantwortlich für sehr kurze BUT
Lücken im Tränenfilm (´Dry Spots´)
erhöhte mechanische Reibung und führt zu chronisch mechanischer Irritation der Epithelzellen
=> dies ist ein Entzündungsreiz
Muzin-Mangel tritt auf bei Schädigung der Feinstruktur der zellulären Oberfläche, einschliesslich der membranständigen Muzine auf den Mikrovilli der Zelloberfläche und den löslichen Muzinen der Becherzellen durch:
topische Schädigung (mechanisch oder chemisch) bei Störungen des Tränenfilms - dies ist der typische Verlauf beim Trockenen Auge … oder durch …
systemische Schädigung z.B. durch alimentären starken Vitamin A Mangel oder chronische Entzündungskrankheiten, die auch die Augenoberfläche einbeziehen.
Die primären Typen des Tränenmangels vermischen sich
Mit zunehmender Dauer der Funktionsstörung des Trockenen Auges und zunehmender Beschädigung des Gewebes vermischen sich die Typen des Tränenmangels nach klinischen Untersuchungen.
Auch wenn bei etwa 4 von 5 Patienten ein primärer Ölmangel, infolge von Meibomdrüsen Dysfunktion (MDD), die Ursache des Trockenen Auges ist, kommt später meist eine Störung der wässrigen Sekretion dazu.
Daher ist es bei der Tränenersatzmitteltherapie meist notwendig, sowohl Öl wie auch Wasser zu ersetzen.
Beschädigung des Oberflächen Gewebes ist die Folge des Tränenmangels
Die wesentlichen pathogenetischen Faktoren der Tränenfilmstörung (Hyper-Osmolarität und Chronisch mechanische Irritation) führen zu einer chronischen Schädigung der Gewebeoberfläche.
Chronische Schädigung der zellulären Oberfläche induziert eine chronische Entzündung, die letztlich in einen degenerativen Gewebeumbau mit zunehmendem Funktionsverlust übergeht.
Degenerativer Umbau und Funktionsverlust sind Folgen des chronischen Gewebe Schadens
Die chronische Oberflächenschädigung beim Trockenen Auge betrifft zuerst das Epithel und hat mehrere Folgen (sekundäre pathogenetische Faktoren).
Diese verstärken sich gegenseitig und treiben die in einer Kaskade die Erkrankung voran, wenn sie nicht durch rechtzeitige und effektive Therapie behandelt werden:
Beschädigung der Oberflächen-Feinstruktur:
an der Konjunktiva nimmt zusätzlich die Zahl der Becherzellen ab und es entwickelt sich eine Plattenepithelmetaplasie.
Hierdurch wird die Fähigkeit zur Wasserbindung (´Benetzbarkeit´) vermindert.
=> Verstärkung der Gewebeschäden an der Kornea (links im Bild) und der Konjunktiva (rechts im Bild).
Aktivierung der Zellen des Oberflächenepithels.
=> erzeugt eine Entzündung.
die Zellen bilden Entzündungsmediatoren (Zytokine und Chemokine) wie z.B. Interferon gamma (IFN-g), Tumor-Nekrosis-Faktor alpha (TNF). Diese dehnen die Entzündung aus und verschlimmern sie.
Abnorme Zell-Differenzierung und Angiogenese
Chronische Entzündung
Chronische Reibung und erhöhte Osmolarität des Tränenfilms sind Entzündungsreize.
Da die Störungen beim Trockenen Auge chronisch auftreten und durch die Entzündungsreaktion nicht beseitigt werden können, wird auch die Entzündung chronisch und es erfolgt eine Progression von einer subklinischen zu einer klinischen Entzündung
Die Entzündungsreaktion ist eine Antwort der Zellen auf schädliche Reize/ Noxen, die ihre Intaktheit und Funktion bedrohen. Entzündung ist ein sehr alter Schutzmechanismus praktisch aller Zellen und Gewebe des Körpers, vor allem gegen Infektionen mit Bakterien und anderen Mikroorganismen.
Typische ´Nebenwirkungen´ von Entzündungsreaktionen sind weitere Schädigungen des Körpereigenen Gewebes. Dies wird als´Kollateralschaden´ hingenommen, in der Absicht die Noxen möglichst effektiv zu beseitigen. Bei Infektionen ist eine Entzündung oft effektiv gegen die Erreger. Bei den chronischen (mechanischen und chemischen) Schäden beim Trockenen Auges kann dies nicht funktionieren. Es resultiert eine sinnlose Gewebeschädigung, die sich immer weiter fortsetzt.
Immunmodulierte Entzündung
Da durch die Entzündung die normale Immuntoleranz gestört wird, kann eine immun-modulierte Entzündung entstehen, die durch T-Lymphozyten moduliert wird. Dieser Typ von Entzündung ist sehr mächtig und kann zu schweren chronischen Entzündungen mit erheblichen Schädigungen führen. Diese Erkenntnis ist die Basis für den sinnvollen Einsatz von anti-inflammatorischer Medikation z.B. mit Lymphozyten-Hemmern (wie dem Calcineurin-Inhibitor Cyclosporin A, CsA) beim Trockenen Auge
Die auftretenden Entzündungsreaktionen treiben selbstverstärkende Regelkreise der Krankheits-Verschlimmerung an (Vicious Circles) und sind ein wichtiger Verstärkungsmechanismus des Trockenen Auges.
SYNOPSIS der Pathophysiologie
In der Zusammenschau (siehe Animation) führen die grundlegenden Kausalen Faktoren:
Störung des Drüsengewebes und/oder
Störung des Lidschlages
zu einer Störung des Tränenfilms und damit der ständigen Befeuchtung. Dies löst die beiden Primären Pathologien aus:
Tränenfilm-Mangel und
Gewebe-Schaden
Die Primären Pathologien werden regiert und vorangetrieben durch Kaskaden Sekundärer Pathogenetischer Faktoren. Diese können als klinische Befunde erhoben werden und dienen zu
Diagnostik und
Stadieneinteilung
Risikofaktoren
Verschiedene Einfluss-Faktoren wirken negativ auf die grundlegenden Funktionskomplexe der Augenoberfläche oder auf den fertigen Tränenfilm. Sie stellen damit Risikofaktoren dar und können die Entstehung und Verschlimmerung eines Trockenen Auges fördern.
Der Einfluss verschiedener Risikofaktoren muss bei der Beurteilung der Krankheitsentwicklung bedacht werden, Dies kann helfen, die jeweils passende Therapie-Option für einen individuellen Patienten zu identifizieren.
Wichtige Risikofaktoren
Störungen der Regulatorischen Systeme des Körpers, die auch die Augenoberfläche steuern (wie Nervensystem, endokrines Hormonsystem und Immunsystem)
Innere Risikofaktoren, wie z.B. Alter, Geschlecht, chronische Erkrankungen, Medikamente oder Trinkmenge und Ernährung, die einen negativen Einfluss auf die Gewebe der Augenoberfläche haben können.
Hierzu zählen z.B. mit zunehmendem Lebensalter abnehmende wässrige Tränensekretion, zunehmende Verhornung am Lidrand, zunehmende Neigung zu Lid-Deformationen (Entropium, Ektropium), oft abnehmende Trinkmenge und abwechslungsarme Ernährung etc.
Äussere Risikofaktoren in der Umwelt, die austrocknend auf die Tränenflüssigkeit und den Tränenfilm wirken. Hierzu zählen z.B. Luftzug, Trockenheit, Stäube in der Luft, seltener Lidschlag oder Kontaktlinsentragen. Eine Anhäufung solcher Risikofaktoren tritt auf in Computer-Arbeitsumgebungen im Büro. In diesem Kontext wird das Trockene Auge (auch als “Office Eye”) bezeichnet.
Iatrogenes Trockenes Auge
Verschiedene Medikamente können ein Trockenes Auge begünstigen
Oft unterschätzte interne Risikofaktoren für ein Trockenes Auge sind, neben chronischen systemischen Erkrankungen selbst, auch verschiedene Medikamente gegen solche Erkrankungen.
Medikamente wirken fördernd für das Trockene Auge wenn sie z.B. das innere Milieu des Körpers so verändern, dass die Produktion von Bestandteilen der Tränen gestört wird, wenn Sie den Lidschlag und damit die Bildung des Tränenfilms negativ beeinflussen oder wenn die Augenoberfläche direkt negativ verändert wird.
Im aktuellen TFOS DEWS II Report (2017) wurde das Trockene Auge durch ´Ärztlicher Einfluss´ als eigene Schädigungsform aufgenommen - ´Iatrogenes Trockenes Auge´. Nähere Einzelheiten dazu in einer aktuellen deutschsprachigen Übersichtsarbeit über das Trockene Auge.
Viele Klassen von Medikamenten sind seit längerem bekannt dafür, dass sie ein Trockene Auge, befördern können. Dazu gehören z.B.
Antihypertensiva, wie Beta-Blocker
einige Anti-Cholinergika wie
Anti-Histaminika
versch. Antiarrhythmika
versch. Bronchiodilatantien
versch. Anti-Depressiva, Sedativa
einige Anti-Parkinson Medikamente
einige Schmerzmittel (Canabinoide, Opioide)
Hormone (z.B. Östrogene, Anti-Androgene)
Wenn vermutet wird, dass ein Medikament ein Trockenes Auge fördern oder verschlimmern könnte, muss immer die notwendige erwünschte Wirkung gegen mögliche unerwünschte Wirkungen abgewogen werden, um die Gesundheit nicht zu gefährden. Von einem Arzt verordnete Medikamente sollten nicht eigenmächtig abgesetzt werden !
Konservierungsmittel in Augentropfen können die Zelloberfläche schädigen
Konservierungsmittel in Augentropfen zählen zu den äusseren Risikofaktoren. Sie befinden sich immer noch in vielen Augentropfen und können eine direkte Schädigung der Augenoberfläche auslösen.
Vor allem wenn die Augentropfen chronisch und häufig gegeben werden müssen (wie Tränenersatzmitten oder Antiglaukomatosa), können enthaltene Konservierungsmittel das Gewebe und damit die Anhaftung und Stabilität des Tränenfilms erheblich schädigen.
Allerdings hängt ein möglicher negativer Einfluss vom konkreten Konservierungsmittel und von der Dosierung ab.
Wenn vermutet wird, dass ein Medikament ein Trockenes Auge fördern oder verschlimmern könnte, muss immer die notwendige erwünschte Wirkung gegen mögliche unerwünschte Wirkungen abgewogen werden, um die Gesundheit nicht zu gefährden. Von einem Arzt verordnete Medikamente sollten nicht eigenmächtig abgesetzt werden !
Leider hat das Trockene Auge die Neigung, sich selbst zu verschlimmern ohne eine rechtzeitige und wirksame Therapie
Die komplexen krankhaften Veränderungen beim Trockenen Auge haben eine Neigung sich gegenseitig negativ zu beeinflussen und sich dadurch zu verstärken - was auch als selbstverstärkende Teufelskreise (engl.: ´vicious circles´) bezeichnet wird.
Dies führt zu einem Fortschreiten der Erkrankungsschwere wenn keine rechtzeitige und wirksame Therapie durchgeführt wird.
Die beiden Primären Pathologien beim Trockenen Auge
gestörter Tränen-FILM/ Tränen-FILM Mangel und
GEWEBE-Schädigung/ Oberflächenschaden
=> schädigen die Drüsen des Auges (Tränendrüse und Meibomdrüsen) sowie auch die Becherzell-Drüsen der Konjunktiva und die Muzinproduktion der Oberfläche durch z.B.:
Störung der sensorischen Nerven an der Oberfläche mit nachfolgender
Störung der neuralen Autoregulation von Sekretion und Lidschlag
Störung des Lidrandes durch chronische Blepharitis
=> diese sekundären pathogenetischen Faktoren der Drüsenschädigung treiben grosse ´Pathologische Karussells´ an, die dann die Primären Pathologien von Tränenfilm Störung und Gewebeschaden verstärken.
So wirken viele verschiedene selbstverstärkende Regelkreise, die sich untereinander beeinflussen, in der Pathophysiologie des Trockenen Auges zusammen. Dadurch entsteht eine recht komplexe Interaktion verschiedener Krankheitsfaktoren (siehe nachfolgende Abbildung), die erklärt, warum die Therapie des Trockenen Auges nach wie vor eine Herausforderung darstellt für Patient wie für Arzt.
Selbstverstärkende Regelkreise der Krankheitsverschlimmerung - zahlreich und unterschiedlich
Im Gegensatz zu der Annahme, dass es in der Pathophysiologie des Trockenen Auges ´einen´ selbstverstärkenden Teufelskreis der Krankheitsverschlimmerung gäbe, gibt es tatsächlich zahlreiche und unterschiedliche, die ineinander greifen.
Gegen die Annahme eines einzigen selbstverstärkenden Regelkreises spricht auch die Überlegung, dass eine Therapie dann an jedem Pathophysiologischen Faktor ansetzen könnte und trotzdem immer erfolgreich wäre. Dies wird durch die jahrzehntelangen Erfahrungen in der Therapie des Trockenen Auges nicht bestätigt.
Sie werden teilweise von Entzündungsmechanismen verstärkt, teils funktionieren sie auch ohne Entzündung.
Typisch, beim fortgeschrittenen Trockenen Auge, ist die Entwicklung von zahlreichen verschiedenen selbstverstärkenden Regelkreisen (Vicious Circles)., z.B.:
Tränenmangel führt zu Gewebeschäden der Oberfläche - und diese wiederum verschlechtern die Benetzung und verstärken den auslösenden Tränenmangel.
Oberflächenschäden induzieren Entzündungsreaktionen und diese können die auslösenden Schäden verstärken
Oberflächenschäden stören die sensorische Innervation von der Augenoberfläche. Dies stört die neurale Autoregulation für die Sekretion, führt zu Tränenmangel und verstärkt damit die auslösenden Oberflächenschäden.
etc.
Die Progression der Krankheit wird durch immun-modulierten Entzündungsreaktionen noch beschleunigt. Es kann resultieren:
Degenerativer Umbau des Gewebes und
Funktionsverlust der Augenoberfläche
Typische SYMPTOME
Die Schädigungen beim Trockenen Auge führen zu einigen typischen SYMPTOMEN
Eine ausführliche Beschreibung der Symptome findet sich im Kapitel “Mehr Informationen”
Zusammengefasst beruhen typische Symptome des Trockenen Auges auf Trockenheit, Reizung/ Irritation und Schmerz.
Anfangs, vor allem bei älteren Menschen, besteht durch Augenreizung gelegentlich zeitweise erhöhter Tränenfluss/ Tränenträufeln und Feuchtes Auge.
Weiterhin werden die optischen Folgen der Störung des normalerweise gleichmässig dünnen Tränenfilms bemerkt als: Verschlechterung der Sehschärfe / Verschwommen-Sehen / Instabiler Visus.
Es ist typisch für das Trockene Auge, dass die subjektiven Symptome nicht immer exakt mit den klinischen Befunden übereinstimmen.
TYPISCHE BEFUNDE
=> Kurzübersicht über typische BEFUNDE beim Trockenen Auge finden Sie => HIER
Diagnostische Tests
=> Kurzübersicht über wegweisende DIAGNOSTISCHE TESTS beim Trockenen Auge finden Sie => HIER
SCHWEREGRAD
Für das Trockene Auge hat sich eine eher allgemeine Einteilung in 4 Schweregrade durchgesetzt, die von leicht über moderat und schwer bis sehr schwer reichen. Entscheidend ist letztlich das Ausmass des eingetretenen Oberflächenschadens in der Vitalfärbung.
Allerdings gibt es aktuell keine allgemein akzeptierte Definition für die exakte Einteilung der Schweregrade nach klinischen Befunden.
Für die Meibomdrüsen Dysfunktion gibt es auch eine Verstopfung von Drüsen, die (noch) ohne Symptome abläuft und daher den Schweregrad “0” hat.
Im Gegensatz dazu ist ein Trockenes Auge per definitionem immer symptomatisch und die Schweregradeinteilung beginnt daher bei “°1” / "Leicht”.
Eine gewissen Akzeptanz haben die Konsensusberichte der internationalen “Tear Film and Ocular Surface” (TFOS, www.tearfilm.org) Gesellschaft.
im TFOS “Dry Eye Workshop Report” (DEWS) von 2007 wurde noch eine genaue Schweregradeinteilung anhand zahlreicher Kriterien angegeben
im TFOS “Dry Eye Workshop Report II” (DEWS II) von 2017 trat eine solche kleinteilige Definition zurück zugunsten allgemeinerer Betrachtungen. Dort werden noch einige wichtige Parameter in Stufen eingeteilt, wie Schwere der evaporativen Störung, Schwere des Tränenmangels und Oberflächen-Schaden.
Dort wird eine Schwere-Einteilung nach der Tränenmeniskus-Höhe vorgeschlagen:
0,2mm: mild
0,1 mm: moderat
0 mm: schwer
Hinweise auf ein Trockenes Auge
Für ein zuverlässiges Grading des Trockenen Auges ist sicher kein Einzelkriterium ausreichend.
Sowohl bei den Tränenfilmparametern, die man heute oft quantitativ numerisch auswerten kann, (Lipidschicht Dicke, Instabilität/ BUT, Tränenmeniskus, Osmolarität) wie auch bei den Drüsenparametern (Wässrige Sekretion/ Schirmer-1-Test, Öl-Sekretion/ Diagnostische Expression, Meibographie) können einzelne Befunde keinen sicheren Beweis eines Trockenen Auges liefern.
Ein Mangel z.B. der wässrigen Tränensekretion, auch wenn er sehr ausgeprägt (unter 1 mm) ist, kann ein schweres Trockenes Auge nicht sicher nachweisen. Ein praktisch trockener Schirmertest-Streifen sollte vielleicht zuerst zum Verdacht führen, dass dieser falsch ausgeführt wurde, z.B. wenn der Streifen nicht ausreichend weit in den unteren Fornix reichte. Auch isolierte Abweichungen der Lipidschicht Dicke auf dem Tränenfilm oder der Osmolarität sind zwar ein Hinweis aber kein sicherer Nachweis eines Trockenen Auges.
Natürlich macht ein übereinstimmender moderater bis starker Mangel verschiedener Faktoren wie wässriger Tränensekretion, Öl-Produktion, Tränenmeniskus und Tränenstabilität, ein Trockenes Auge zunehmend wahrscheinlich.
Praktische klinische Schweregrad Einteilung
Der zuverlässigste Nachweis eines effektiv “Trockenen” Auges, also eines symptomatischen Oberflächen Schadens mit Tränenfilm Störung, ist der bereits eingetretener Gewebe-Schaden:
dieser ist typischerweise durch eine vorangehende chronische Tränenfilmstörung bedingt.
gelegentlich kann auch mal ein primärer chronischer Gewebeschaden vorliegen, der dann zwangsläufig eine Tränenfilm Störung nach sich zieht.
Der Gewebe-Schaden wird typischerweise als Vitalfärbung im Sinne einer Keratitis superficialis punctata (KSP) nachgewiesen.
Das Ausmass der Vitalfärbung gibt damit auch einen zuverlässigen Hinweis auf den Schweregrad des Trockenen Auges.
Wenn die Auswertung der Vitalfärbung nach dem etablierten Oxford-Schema erfolgt, dann ergibt sich eine Einteilung in die genannten 4 Stufen von leicht über moderat und schwer bis sehr schwer.
Es gibt hier zwar eine weitergehende Stufe 5 für noch schwerere Befunde, die aber für die praktische klinische Arbeit ohne wesentliche Bedeutung ist.
THERAPIE
=> Kurzübersicht über die etablierte Stufentherapie beim Trockenen Auge finden Sie => HIER
=> Prinzipielle Erwägungen zu verschiedenen Therapie-Optionen finden Sie => HIER
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